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Staatsanwaltschaft lehnt Schöffen erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit ab, nachdem der sich von dem angeklagten Arzt Behandlungstipps hat geben lassen

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Rainer Pohlen

Rainer Pohlen

Immerhin hatte das Gericht vorgesorgt: Für den Fall, dass in dem vor der Schwurgerichtskammer des Göttinger Landgerichts anhängigen Verfahren wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung mit Todesfolge (sog. Organspende-Skandal)  ein Schöffe oder ein Richter ausfallen sollte, sind gleich von Beginn an Ergänzungsschöffen und Ergänzungsrichter hinzugezogen worden, die seit August des letzten Jahres an der Hauptverhandlung teilnehmen. Wäre das nicht der Fall, müsste jetzt von vorne begonnen werden.

Dem angeklagten Chirurgen Aiman O. wird neben anderen Delikten vorgeworfen, die Prioritätslisten für Organspender manipuliert zu haben. Dadurch sollen vorrangig behandlungsbedürftige Patienten in der Liste nach hinten gerutscht und in einigen Fällen verstorben sein, bevor ihnen ein passendes Organ transplantiert werden konnte. In den Medien ist darüber umfangreich berichtet worden. Inzwischen ist es allerdings – wie in Umfangsverfahren üblich – etwas stiller um den Prozess geworden, weil andere Themen die Schlagzeilen füllen.

Jetzt allerdings gibt es wieder etwas zu berichten. Wie bei spiegel-online zu lesen ist, hat die Staatsanwaltschaft nämlich einen der an dem Verfahren beteiligten Hauptschöffen mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil der in einer Sitzungspause auf dem Weg zum Fahrstuhl mit dem angeklagten Arzt ins Gespräch gekommen war und mit diesem über seine Hand gesprochen hatte, die er sich kurz zuvor bei einem Treppensturz verletzt hatte. Der Arzt war – Hippokrates lässt grüßen – hilfsbereit und hat dem Mann in einem nachfolgenden Telefonat einen Spezialisten für Handchirurgie benannt, von dem sich der Schöffe dann auch behandeln ließ. Das wiederum hat die Braunschweiger Staatsanwaltschaft, welche die Anklage vertritt, irgendwie spitz gekriegt und gemeint, der Schöffe stehe dem Angeklagten jetzt nicht mehr unvoreingenommen gegenüber. Deshalb hat sie einen Ablehnungsantrag gestellt, den das Gericht für begründet erklärt hat. Deshalb musste der durch den Sturz gebeutelte Schöffe seinen Platz räumen. An seiner Stelle wird nun eine Ergänzungsschöffin an der Entscheidung der Kammer beteiligt sein.

Ich habe vor Jahren mal an einem Umfangsverfahren am Landgericht Bochum teilgenommen, in dem keine Ergänzungsschöffen bestellt waren. Nach 22 Verhandlungstagen starb ein Schöffe unerwartet und wir mussten vor vorne anfangen. Das war ziemlich misslich für alle Beteiligten.

Im Göttinger Fall kann man sicher unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob die Freundlichkeit des Arztes gegenüber dem Schöffen tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit begründet. Es ist ja eine ganz menschliche Sache ,dass man nach monatelangem Aufeinandertreffen auch einmal ein paar private Worte wechselt. Das muss keinen Einfluss auf die Urteilsfindung haben. Ob die Staatsanwaltschaft auch einen Befangenheitsantrag gestellt hätte, wenn es sich bei dem Rat gebenden Arzt nicht um den Angeklagten, sondern um einen Belastungszeugen gehandelt hätte? Na ja, es ist müßig, darüber zu diskutieren. Wir merken uns: Distanz halten ist allemal die bessere Alternative, wenn man Problemen aus dem Weg gehen will.


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